Data science, Diverse
Vergleich ESG-Ratings von Schweizer Firmen 2024
13 Aug 24
In der heutigen Geschäftswelt sind ESG-Kriterien zu einem wichtigen Massstab für die Bewertung von Unternehmen geworden. ESG steht für Environment, Social und Governance also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Diese Kriterien helfen, die nachhaltigen und ethischen Leistungen von Unternehmen zu bewerten.
Zum Beispiel kann der Umweltaspekt (Environmental) beinhalten, wie ein Unternehmen mit seinen CO₂-Emissionen umgeht oder wie es seine Ressourcen verwaltet. Der soziale Aspekt (Social) bezieht sich auf den Umgang mit Mitarbeiter:Innen, Kund:Innen und der Gesellschaft, wie etwa faire Arbeitsbedingungen und soziales Engagement. Die Unternehmensführung (Governance) umfasst Aspekte wie transparente Geschäftsprozesse und ethisches Verhalten im Management. Diese ESG-Daten spielen eine zentrale Rolle in der Berechnung von ESG-Scores durch Ratinganbietern.
Bereits vor drei Jahren haben wir die Bewertungen verschiedener solcher ESG-Ratinganbietern durchleuchtet. Dieser Artikel rollt die Analyse nochmals auf und untersucht anhand aktueller Daten, ob die Ratings nach wie vor voneinander abweichen und wie sich die ESG-Scores über die letzten Jahre entwickelt haben.
Datengrundlage
Für die nachstehenden Analysen haben wir die ESG-Scores (Stand der Daten: 30. Juli 2024) von etwa 130 an der Schweizer Börse kotierten Unternehmen von den Ratinganbietern Sustainalytics (Morningstar), MSCI, Standard & Poor’s (S&P) sowie der London Stock Exchange Group (LSEG, vormals Refinitiv) gesammelt. Dabei verwenden wir ausschliesslich öffentlich zugängliche ESG-Score-Daten, um eine grösstmögliche Transparenz zu gewährleisten.
Diese Herangehensweise hat jedoch zur Folge, dass unsere Vergleiche auf die Unternehmen beschränkt sind, für die Daten von den genannten Ratingagenturen verfügbar sind. Aufgrund unterschiedlicher Abdeckungen und Datenverfügbarkeiten sind die Überlappungen teilweise nur gering, was die Anzahl der vergleichbaren Unternehmen reduziert.
ESG-Ratingvergleich
Die Ratingagenturen arbeiten mit unterschiedlichen Bewertungsskalen, was direkte Vergleiche erschwert. Um diese Skalen dennoch statistisch vergleichbar zu machen, verwenden wir nicht die tatsächlichen Ratings der Firmen, sondern deren Platzierungen (Ränge) innerhalb eines Ratinganbieters. Auf diese Weise werden mögliche inhaltliche Unterschiede der Ratings neutralisiert und ein objektiver Vergleich ermöglicht.
Detailliertere Informationen zu ESG sowie zur Methodik der Analyse finden Sie in unserem früheren Blogbeitrag.
In den Grafiken sind die Ränge auf den Achsen repräsentiert. Je heller (weisser) der Bereich, in dem ein Unternehmen platziert ist, desto grösser ist die Übereinstimmung zwischen den Ratinganbietern. Diese Visualisierung hilft, schnell und übersichtlich zu erkennen, in welchen Fällen eine hohe Konsistenz zwischen den Rängen besteht und wo es grössere Abweichungen gibt.
LSEG vs Sustainalytics
Abb. 1: Vergleich der ESG-Ränge LSEG vs Sustainalytics.
In diesem Vergleich werden 125 Unternehmen gegenübergestellt. Besonders bei den “Spitzenreitern” gibt es deutliche Unterschiede. So wird die UBS von LSEG unter den Top 10 eingestuft, während die Grossbank im Sustainalytics-Ranking nicht einmal unter die Top 100 fällt. Auffällig ist auch, dass sich Clusters bilden, also Gruppierungen von Unternehmen, die in einem ähnlichen Ausmass unterschiedlich bewertet werden.
In der Grafik oben links mit Cicor, Intershop, etc. befindet sich ein solches Cluster. Ein weiteres liegt mittig unten und umfasst Orior, BKW, Sensirion, LLB, usw. Diese Clusterbildungen könnten darauf hinweisen, dass in den Bewertungsmodellen unterschiedliche Faktoren berücksichtigt werden. Insgesamt zeigt die Grafik keinen klaren Übereinstimmungstrend, was sich auch in einem Korrelationskoeffizienten von 0.35 zeigt.
LSEG vs S&P
Abb. 2: Vergleich der ESG-Ränge LSEG vs S&P.
Dieser Vergleich umfasst 67 Unternehmen und zeigt eine grössere Übereinstimmung in der Nachhaltigkeitsbewertung, was sich in einem Korrelationskoeffizienten von 0.70 widerspiegelt. Beide Anbieter bewerten UBS, Roche und ABB als nachhaltig und platzieren Intershop, Phoenix Mecano und Peach Property am unteren Ende der Ränge. Eine extreme Diskrepanz besteht bei Sika, die bei S&P in den Top 15 landet, aber bei LSEG einen der hinteren Plätze belegt.
Sustainalytics vs S&P
Abb. 3: Vergleich der ESG-Ränge S&P vs Sustainalytics.
Der Vergleich der ESG-Score-Ränge von Sustainalytics und S&P umfasst ebenfalls 67 Unternehmen. Ähnlich wie im ersten Vergleich ist kein klarer Übereinstimmungstrend erkennbar. UBS, Roche, Intershop und Peach Property zeigen stark unterschiedliche Einstufungen. Andererseits weisen Tenemos, Ypsomed und Phoenix Mecano eine hohe Übereinstimmung auf. Der Korrelationskoeffizient beträgt hier 0.33.
Diese Vergleiche zeigen, dass die Einigkeit in der Nachhaltigkeitsbewertung zwischen verschiedenen Anbietern nach wie vor stark variiert. Die tiefen Korrelationskoeffizienten der ersten und dritten Auswertung (0.35 und 0.33) deuten auf unterschiedliche Bewertungsansätze und Schwerpunkte der Ratinganbieter hin.
Veränderungen der ESG-Scores
Im zweiten Teil analysieren wir, wie sich die ESG-Scores der Anbieter über die letzten Jahre verändert haben. Dabei betrachten wir, ob sich der Score verändert hat und in welche Richtung.
Abb. 4: Veränderungen der ESG-Scores seit 2021.
Die Auswertungen zeigen ein ähnliches Bild: Mehr als die Hälfte der untersuchten Unternehmen hat sich in puncto ESG verbessert. Interessanterweise zeigen die Veränderungen der ESG-Scores aber eine niedrige bis negative Korrelation zwischen den einzelnen Anbietern.
Korrelationen der Veränderungen:
- Zwischen MSCI und Sustainalytics: 0.22.
- Zwischen MSCI und S&P: 0.25.
- Zwischen S&P und Sustainalytics: -0.15.
Das bedeutet, dass bei Unternehmen, deren Score sich bei einem Anbieter verbessert hat, sich diese Entwicklung bei einem anderen Anbieter nicht zwangsläufig in der Bewertung zeigt. In einigen Fällen haben Unternehmen, die bei einem Anbieter eine positive Entwicklung gezeigt haben, bei einem anderen Anbieter sogar eine Verschlechterung erlebt. Diese Korrelationen verdeutlichen die Unterschiede in den Bewertungsmethoden und -kriterien der verschiedenen Ratingagenturen.
Veränderungen in den S&P Scores
Da die Entwicklungen bei S&P ausgewogen erscheint (15 negative, 16 positive Entwicklungen), betrachten wir diese genauer. Dabei stellen wir die tatsächlichen Scores gegenüber, da diese nun vom gleichen Anbieter stammen und somit vergleichbar sind.
Abb. 5: Veränderungen der ESG-Bewertungen durch S&P.
In der Auswertung sehen wir, wie sich die ESG-Score von S&P über die Jahre verändert haben. Für Unternehmen unterhalb der schwarzen Diagonalen hat S&P den ESG-Score reduziert, während Unternehmen oberhalb der Diagonale ihren Score verbessern konnten.
Auffällig ist, dass praktisch alle Unternehmen, die 2021 einen Score von über 70 erreichten, 2024 nach unten korrigiert wurden. Bei niedrigeren ESG-Score ist eher das Gegenteil der Fall, viele wurden nach oben korrigiert. Die Gründe für diese Entwicklung sind nicht sofort ersichtlich und könnten auf verschiedene Bewertungsfaktoren zurückzuführen sein.
Eine fundierte Analyse wäre notwendig, um die Ursachen für diese Score-Änderungen genau zu verstehen. Möglicherweise haben sich die Bewertungsmodelle von S&P im Laufe der Zeit verändert, oder es wurden neue Bewertungskriterien eingeführt. Auch Änderungen in der Datenverfügbarkeit und -qualität könnten eine Rolle spielen. Ohne eine detaillierte Untersuchung bleibt jedoch unklar, welche spezifischen Faktoren diese Verschiebungen verursacht haben.
Fazit
Die Analyse der ESG-Ratings von Schweizer Unternehmen zeigt deutlich, dass es nach wie vor erhebliche Unterschiede zwischen den Bewertungen der verschiedenen Ratinganbieter gibt.
Während einige Anbieter eine höhere Übereinstimmung in ihren Bewertungen aufweisen, führen unterschiedliche Bewertungsmodelle und -kriterien oft zu widersprüchlichen Ergebnissen. Die Entwicklungen der ESG-Scores über die letzten Jahre unterstreichen zudem, dass die Bewertungsmethoden weiterhin dynamisch und komplex sind, was eine einheitliche Einschätzung der Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen erschwert.
Diese Unterschiede machen deutlich, wie wichtig es ist, ESG-Ratings kritisch zu betrachten, im Kontext der jeweiligen Bewertungsansätzen zu verstehen und in einem breiteren Rahmen zu interpretieren.
Verfügen Sie über Daten, möchten diese gerne auswerten und wertvolle Einblicke gewinnen, so kontaktieren Sie uns (es müssen auch keine ESG-Daten sein).
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