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Superbowl LVII: Warum die Vorhersagen wohl falsch liegen

9. Februar 2023

Superbowl LVII: Warum die Vorhersagen wohl falsch liegen

57. Superbowl: Alles eine Frage der Wahrscheinlichkeit

Dieses Wochenende findet in den USA der 57. Superbowl statt – das Finale der Amerikanischen Football-Meisterschaft (NFL) und eines der grössten Sportevents des Jahres. Die Frage, ob dabei die Kansas City Chiefs oder die Philadelphia Eagles als Sieger hervorgehen werden, ist in der Vorwoche des Spiels natürlich Gegenstand vieler Spekulationen und Wetten.
Den Ausgang eines einzelnen Spiels präzise vorherzusagen ist jedoch auch mit modernsten Methoden sehr schwierig, da dieser von unzähligen und oft unkontrollierbaren Faktoren beeinflusst wird. Jede seriöse Vorhersage des Spielresultats wird also keine sicheren Aussagen machen, sondern lediglich Wahrscheinlichkeiten verschiedener Ausgänge anhand einer gewissen Datengrundlage und eines bestimmten Beurteilungsmodells generieren. Solche probabilistischen Vorhersagen sind nicht nur im Football, sondern in anderen Sportarten (wie beispielsweise bei unserer Simulation der Fussball-EURO 2020) das sinnvollste Mittel.
Bei der Bestimmung der Wahrscheinlichkeiten verschiedener Resultatszenarien des Superbowls, gibt es zwei Schwierigkeitsstufen.

Stufe 1 – Sieger vorhersagen

Die erste Stufe besteht darin, «nur» die Gewinnwahrscheinlichkeiten der beiden Teams zu modellieren und so den Sieger vorauszusagen. Diese Gewinnwahrscheinlichkeiten hängen vor allem von den Spielstärken beider Teams ab – je grösser die Differenz, desto klarer das erwartete Ergebnis. Spielstärken in Head-to-Head-Sportarten wie Football, Fussball oder auch Schach werden typischerweise mit der sogenannten «Elo-Score» quantifiziert. Dabei werden nach jedem Spiel Elo-Punkte vom Verlierer auf den Sieger transferiert. Für weitere Begegnungen werden dann aus den aktuellen Punktedifferenzen die Wahrscheinlichkeiten für Sieg oder Niederlage berechnet.

Auf der Basis aller vergangenen Begegnungen der NFL haben Vorhersagespezialist:innen von fivethirtyeight.com die aktuellen Elo-Scores der Kansas City Chiefs sowie der Philadelphia Eagles bestimmt und daraus die Wahrscheinlichkeiten der Siege beider Teams berechnet. Resultat: Die «Chiefs» gewinnen mit einer Wahrscheinlichkeit von 57%. Würde der Superbowl also 100 Mal hintereinander stattfinden, wäre in 57 Spielen ein Sieg von Kansas City zu erwarten.

Keine Aussage macht dieses Elo-basierte Modell jedoch zum erwarteten Punktestand am Ende des Superbowls.

Stufe 2 – Resultat Superbowl LVII vorhersagen

Noch multifaktorieller beeinflusst, noch zufälliger und daher noch schwieriger vorherzusagen ist das genaue Spielresultat. Trotzdem gibt es auch in dieser zweiten Stufe einige stabile Faktoren, welche für eine Wahrscheinlichkeitsbeurteilung herbeigezogen werden können:

  • Erstens sind im American Football reglementarisch gar nicht alle Resultate möglich: Beispielsweise hat ein Ausgang von 1:0 die Wahrscheinlichkeit null, da kein Spielzug, dem nicht ein 6-Punkte-Touchdown vorangeht, mit nur einem Punkt belohnt wird.
  • Zweitens sind dem Spielausgang praktische Grenzen gesetzt: Ein Resultat von 1000:0 wäre zwar theoretisch möglich, ist aber in einem 60-minütigen Spiel enorm unwahrscheinlich. Eine naive Beurteilung, welche Resultate wie häufig und daher wie wahrscheinlich sind, kann aus den historischen Spielausgängen der Liga abgeleitet werden (das häufigste NFL-Resultat in den letzten 50 Jahren war beispielsweise 20:17, gefolgt von 27:24 und 23:20).
  • Drittens haben die Teams quantifizierbare Charakteristika: Hätten wir es beispielsweise mit den beiden angriffigsten Mannschaften der NFL zu tun, wäre ein anderes Resultat zu erwarten, als bei den beiden am defensivsten eingestellten Teams. Diese Faktoren – offensive und defensive Stärke – lassen sich anhand der historisch erzielten und zugelassenen Punkte beurteilen.

Diese drei Komponenten haben wir in einer Simulation vereint: Auf der Basis aller NFL-Spiele der letzten 50 Jahre haben wir die Verteilung der Finalresultate eruiert, die offensiven (Verteilung der erzielten Punkte in den letzten fünf Jahren), sowie defensiven (Verteilung der zugelassenen Punkte) Qualitäten beider Finalteams quantifiziert und schliesslich den Superbowl 100’000 mal durchgespielt.

57. Superbowl: Simulation

Unsere Simulation ergab also 100’000 mögliche Spielausgänge, in welchen wir folgendes beobachten konnten:

  • Die Kansas City Chiefs gewannen 52.4% aller Partien – diese Wahrscheinlichkeit liegt nahe an den von FiveThirtyEight modellierten 57%.
  • Die Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Punktgewinne beider Teams sind sehr ähnlich (s. Abbildung 1). Die «Chiefs» erzielen gemäss Prognose aber einen Punkt mehr als die «Eagles».
  • Maximiert man die modellierten Wahrscheinlichkeitskurven beider Teams, erhält man  eine Punktvorhersage von 24:23 für Kansas City.
Suberbowl LVII Simulation: Die Kansas City Chiefs gewannen 52.4 % aller Partien.
Abbildung 1: Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Punktegewinne am Superbowl: Je höher die Kurve eines Teams, desto wahrscheinlicher die entsprechende Punktzahl. Die Kansas City Chiefs sind leicht im Vorteil.

Das erwartete Resultat des Superbowls beträgt also 24:23 für die Kansas City Chiefs. Dieser Tipp ist aus Perspektive unseres Modells zwar der beste, aber immer noch sehr wahrscheinlich falsch – denn in nur 131 aller 100’000 simulierten Partien war 24:23 das genaue Resultat.

Vorhersagen validieren

Unsere Voraussage des Spielausgangs – dass Kansas City mit 52% Wahrscheinlichkeit gewinnen wird – ist natürlich auch absolut kompatibel mit einem Sieg von Philadelphia. Speziell bei einer solch engen Vorhersage ist es also unmöglich, das Modell an einem einzigen Spielausgang zu validieren. Für die Beurteilung probabilistischer Vorhersagen muss über viele Spiele hinweg eruiert werden, ob das Modell im Schnitt die richtigen Wahrscheinlichkeiten angibt. Also ob ein Ereignis, welches das Modell als 50% wahrscheinlich beurteilt, auch in ca. 50% der Falle eintritt. Dieses Validierungsverfahren haben wir im Zusammenhang mit dem Superbowl 2021  besprochen.

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